Der Hüter der Weisheit

Ein Truchseß, der gewissenhaft,
Mit seines Herzens ganzer Kraft
Und strebend um Erleuchtung ringt,
Die er dem Reyche schließlich bringt,
Den quält, steht er dann vor dem Thron,
Ein tiefer Zweifel häufig schon.

Ihm ist die Weisheit anvertraut.
Doch, wenn er dann so vor sich schaut,
Sein Blick an Jenem prüfend klebt,
Den seine Tat gleich sehr erhebt,
Dann fragt er sich so manches Mal:
Ja, gab's denn keine andre Wahl?

Wer ritt das Reych, als es grad dyssen
Hob auf den Throne Zu den Gyssen?
Warum denn wählte es nicht jenen,
(Den Namen will ich nicht erwähnen)
Der, ach so weise und sympathisch.
Jedoch - man ist halt demokratisch
Und respektiert des Reyches Willen -
Wenn man auch manchmal murrt im Stillen.

Man krönt als Truchseß den Gewählten,
Tät man auch lieber den Beseelten
Und von der Muse so Geküssten -
Den besten halt - mit Weisheit rüsten.

"So lasst Euch mit dem Aha schmücken.
Und möge Euch die Sippung glücken!"
So ruft der Truchseß in den Raum.
Was dann geschieht - man glaubt es kaum,
Obwohl wir das seit langem kennen.
Man darf es wohl ein Wunder nennen.

Kaum ist der Aha umgestreift,
Sieht man die Herrlichkeit gereift.
Wo vorher Tumbheit schier gesät,
Glänzt nun des Geistes Majestät.

Und wo es vorher ganz verdunkelt,
Sieht man, wie Witzes Feuer funkelt.
Jäh steht da eine Herrlichkeit,
Der edle Mantel wehet weit.
Sie ist erleuchtet, gut und mild.
Es ist ein wunderbares Bild,
Dem Truchseß konnt's gelingen.
So geht es ihm fast jedes Mal;
Fast immer hat er erst die Qual,
Muss sich zum Werke zwingen.
Doch dann, dann hat er's halt vollbracht,
Ein Wunder ist aufs Neu gemacht.

Oh, glückliche Schlaraffen:
Der Truchseß hat's geschaffen.
Er streicht sich durch den grauen Bart,
Voll Stolz, kaum zu beschreiben.
Ach, lasst uns stets auf diese Art
Schlaraffen sein und bleiben.