Der Kaufladen zu Weihnachten

(einst vorgetragen im Reych des Rt Modera-Tor bei der Weihnachts-Krystalline)

Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit will ich heute Besinnliches vortragen. Ich sehe den Rt Modera-Tor schon erschrecken, wohl, weil er befürchtet, als der deutlich jüngere von uns Beiden später auch einmal so zu werden.

Aber was hilft es. Die Geschichte vom Kaufladen.

Mit zunehmendem Alter erinnert man sich immer mehr an die Traditionen aus der Kindheit. Mir sind noch zwei Erinnerungsstücke aus dieser Zeit verbliebenen:

  • mein Teddy, der noch immer quieken kann, wenn man ihnen von beiden Seiten drückt und
  • der Kaufladen.

Dieser Kaufladen ist 1949 nach der Währungsreform vom Betriebsschreiner der Pelzgerberei meines Vaters gebaut worden für mich und meine vier Geschwister.

Dabei passierte ein kleines aber für die späteren Entwicklungen entscheidendes Versehen. Meine Mutter gab dem Schreiner die Masse (nach ihrer Auffassung) in Zentimetern an. Der Schreiner jedoch deutete sie als Zoll. Der Kaufladen wurde also ziemlich groß. 100 cm breit und 130 cm hoch. Im hinteren teil 16 Schubladen jeweils mit dem Maß an 13 mal 20 mal 15 cm, also jeweils knapp 4 L Füllinhalt, zusammen also Abt 64 l Volumen für Süßigkeiten. Nicht eingerechnet sind vier große Regale zwischen den Schubladen und weitere Regale im Vorderteil im Schaufenster. Und über dem Verkaufstisch prangte ein großes gebogenes Schild: Kolonialwaren

Wir waren natürlich begeistert. Meinen Eltern machte ich damals die Freude, das Wort Kolonialwaren nicht aussprechen zu können und stattdessen Konolialwaren und ähnliches zu sagen, was meine Mutter immer entzückte. Damals war ich halt noch klein und süß. Und kleine Kinder sind einfühlsamer und rücksichtsvoller, als man denkt.

Dieser Kaufladen begleitet mich seitdem mit wenigen Unterbrechungen durchs Leben. Inzwischen erfreut sich, meinen Eltern eingerechnet, die fünfte Generation an dem guten Stück. Für uns alle ist Weihnachten wird ohne Kaufladen undenkbar.

Aber: zwischen den Weihnachtsfesten in muss dieses Monstrum untergebracht werden. Das war kein Problem, solange meine Eltern lebten. Dann holte ich den Kaufladen bei ihnen ab und alles war in Ordnung. Seitdem bin ich aber alleine für die Unterbringung verantwortlich. Heutige Häuser und Wohnungen haben wenig Stauraum. Eine Zeit lang kam er zusammen mit meiner Freizeitausrüstung im Bootsschuppen unter. Seitdem steht er – störend -das ganze Jahr über offen in einer zur Gartenkammer umgewidmeten Garage. Meine Enkel machen mir die Freude und tun so, als ob sie den Kaufladen dort nicht sehen würden und sind an Weihnachten immer freudig überrascht, dass er wieder da ist – inzwischen mit LED-Beleuchtung und elektronischer Registrierkasse.

Und das Schönste ist: die Kinder spielen am Heiligabend und am ersten Feiertag damit – dann müssen sie aber schon wieder fort zu ihren diversen Patchwork-Elternteilen. Und der Kaufladen stets nun exklusiv für meine Burgfrau und mich randvoll mit Zuckerwerk bis Sylvester herum und dient uns als wirklich unerschöpfliche Quelle - was uns immer bestens bekommt und mir die Figur eines wohlbeleibten Fürsten beschert.

Ich würde ihn deshalb gerne weitergeben. Aber keines unserer Kinder hat Platz und so kommen sie lieber weiter an Weihnachten weiter zu uns, um mit dem Kaufladen zu feiern

Eigentlich hätten meine Burgfrau und ich schon lange gerne unser Haus gegen eine altersgerechte Wohnung getauscht. Das Problem ist nur: Wohin mit dem Kaufladen?

Dabei ist die Unterbringung des Kaufladens nur das eine. Mit seiner Übernahme ist der Einzug der ganzen Mischpoke (von bis zu 14 Köpfen) zum Weihnachtsfest verbunden. Super!

Also wird der Kaufladen wohl bei uns und wir in unserem Haus bleiben müssen und hier vielleicht noch die sechste Generation erleben. Morgen geht es los: dann schlagen wir mit der ganzen Familie und vielen Freunden unseren Weihnachtsbaum mit einem großen Lagerfeuer-Glühwein-Suppen-Fest im Wald bei Weilburg. Übrigens zum 35. Mal. Ihr seht, wir haben auch andere anstrengende Traditionen aus den wir nicht aussteigen dürfen.

Man müsste nochmal sechzig sein, belastbar, schmerzfrei, ausdauernd und unverwüstlich.
Aber es ist, wie es ist und das Weihnachtsfest kommt mit allen Begleiterscheinungen auch dann, wenn wir jammern. Deshalb: wir freuen uns auf das Fest.

Ich wünsche uns allen ein fröhliches, friedliches und glückliches Weihnachtsfest