Des Pilger Dienstbachs Jungfernfexung

Geblendet von dem Glanz, der von so vielen edlen Rittern auf mich einstrahlt, stehe ich hier als bescheidener Pilger zum ersten Male vor Euch in der Rostra.
Wollet mir daher bei diesen ersten schweren Schritten auf höfischem Parkett, das Euch so wohlgeläufig ist wie glatt für mich erlauben, zu Euch in Prosa zu sprechen.
Und nicht den gewiss zum Scheitern verurteilten Versuch unternehmen zu müssen, es Euch in der Kunst des Reimens nachzutun.
Wie könnte ich es auch wagen, ohne gründliche Lehre, mich hier mit Euch zu messen, die Ihr doch alle die Lyrik mit der Muttermilch eingesogen haben müsst, während ich noch ein Flaschenkind war. Ihr, die ihr Euch in wohlgesetzter Rede auszudrücken wisst in allen Formen, die die Dichtkunst ersann.

Ich hörte aus Euren Mündern nicht nur simple Reime.
Nein, kunstvoll flochtet Ihr die Worte zu Terzinen,
Zu Sizilianen, Stanzen, Ritornellen.
Elegien, Distichone, Trioletten.
Lasst schwingen sie als Jamben, Anapästen,
Daktylen und Trochäen.
Nicht nur der Paarreim ist Euch wohlgeläufig,
Auch Kreuz-, Kehr-, Schweif- und Schüttelreim,
Ja, Stabreim ebenso wie Dissonanzen.
Ihr schwelgt in Paraphrasen, Pleonasmen,
In Metaphern, Metonymien und Hyperbeln,
Ja, selbst das einfache, von Johann Knittel
Für Poeten im Nebenamt entwickelte Versmass
Hat Heimstatt hier in Eurer Burg.
Oh, seufzt ich oft, wenn ich von hier nach Hause ging,
Oh, könnt ich's diesen edlen Rittern gleichtun.
Und voller Wehmut, weil vergeblich das Verlangen,
Und doch voll Freude über das bei Euch erlebte,
Gab meinem treuen Weibe. meiner Burgfrau, ich Bericht:

Ich sprach zu ihr von der gewaltigen Rittertafel.
Vom glanzumwogten Thron. auf dem drei Herrlichkeiten.
Im Zeichen des Uhus ihr mildes Regiment verüben,
Das Zepter gnädig schwingend über ihren Sassen.
Ich gab ihr kund, was in der Burg mein Aug' erblickte:
Die Rüstungen. die Helme und die lange Reihe
Von scharfen Schwertern, die die Feinde wissen lassen,
Wie wehrhaft sich die stolze Burg der Gyssen zeigt.
Und auch die Orden, die so manchen Ritters Brust
Und Helm und Rücken bis zum Boden zieren
Sind Zeichen Mannesmuts und wehrhaft-scharfer Zunge.
Sodann erzählt ich von euch edlen Rittern -
Vom Fürsten Ebigon und den gewalt'gen Streichen seines Schwerts.
Vom großen Kurfürst Knallfex, der sich unbeirrt,
Durch Nacht und Wind, den Weg zu seiner Burg erkämpft,
Nicht Tod noch Teufel und auch nicht Gendarme fürchtend*.
Vom Junkermeister Mon-Cherie. der seine Knute
Mit sieben Schwänzen an der muntren Junkertafel schwingt.
Vom Ritter Aioli, der durch so zart und süße Töne,
Dem Instrument entlockt, manch Ritters tapfres Herze rührt.
Auch war vom wundermächt'gen Magier Frappant die Rede,
Dem Marschall, der mit Freuden stets den Tamtam rührt.
Und von Mehr-Ran, der stets die Stellung auf der Burg
Zum letzten hält und nur dem Morgengrauen weicht.
So sprach ich von euch allen, die mir hier begegnet
Die ich in wen'gen Stunden herzlich lieb gewonnen.

Und als ich, Mitternacht war längst vorüber,
Des Hauses Herd erloschen, dann zum Ende kam,
Sah meine Burgfrau mich mit dunklen Augen an
Und sprach (in Prosa, wie es meist der Frauen Art):

Ich habe, sagte sie, ja schon oft an Deinem Verstand gezweifelt.
Wenigstens habe ich jetzt Gewissheit!
Und den Trost: Du hast Gleichgesinnte gefunden.
Tue, was Du musst,
Aber vergiss mich dabei nicht.

Da sprang ich auf, um sie zu küssen
Und rief: Das sollst Du haben.
Und bin ich auf der Burg der Gyssen,
Will auf Dein Wohl ich laben.
Mit jeder Sippung letztem Glas
Sei dein gedacht, die ich zu Haus vergaß.
Und wenn das mir einmal entfällt,
Dann wird ein neues, letztes Glas bestellt.
Und sollt ich's noch mal dann verpassen,
Dann muss ich noch ein letztes kommen lassen.
So trink' ich, bis der süße Mund,
Die hellen, blanken Äugelein,
Von jener Burgfrau, welche mein,
Erscheinen auf Glases Grund.
OK, sprach sie, und ließ mich ziehn.
So trete ich nun vor Euch hin,
Klopf an bei eurem Freundschaftsbund
Und gebe mein Begehren kund:
Ich sei, der ich euch lange schon als Freunde wähnte
In Eurem Bund der Hundert Neun und Zehnte**.

* Kurfürst Knallfex hatte gerade auf einem Heimritt
nach ausgedehnter Krystalline mehrere profane Stinkrösser
beschädigt und seinen Führerschein abgegeben.
** Pilger Dienstbach erhielt die Knappen-Nummer 119