Das Vorspiel

Ihr Freunde, seid euch stets bewusst:
Schlaraffenspiel heißt Freud und Lust.

Im Spiel wird mancher Wunsch erfüllt,
Manch heißes Sehnen wird gestillt.
Man schwelgt, genießt, die Stimmung funkt,
Bis schließlich, auf dem Höhepunkt,
Ein Strom von Glück fasst den Schlaraffen
Bis hin zum seligen Erschlaffen.

Doch, wer so in den Höhen schreitet,
Tut dieses besser vorbereitet.
Und lässt, schon lang vor dem Geschehn,
Die Freude sichtbar bei sich stehn.
Vorfreude kann, vor allen Dingen,
Uns schon vorab Erfüllung bringen,
Weshalb einmal ein kluger Mann,
Das Vorspiel eines Spiels ersann.

Ein Vorspiel stimmt die Sinne ein,
Auf das, was gut und schön und rein.
Wer zu direkt zum Ziele lenkt,
Der hat schon viel vom Spaß verschenkt.
Wen gar sein Glück nicht vorher hebt,
Der hat ein Stück umsonst gelebt.
Dringt man ganz ohne Vorspiel ein,
Wird's nur die halbe Freude sein.

Erstrebt man, dass das Spielen richtig,
Wird so ein Vorspiel doppelt wichtig.
Just dieses ist, seit alten Tagen
Bei uns dem Truchseß aufgetragen.

Es liegt Schlaraffia im Schlafe,
Kurz vor der Sippung noch, die brave.
Der Truchseß naht. Sein sanftes Necken
Soll sie zu Lebenslust erwecken.
Mit Vorsicht und Behutsamkeit
Liebkost er sie, bis sie soweit.

Man hört ihn sanfte Verse flüstern,
Wonach die Gute meistens lüstern.
Schlaraffias Lebenssäfte wallen,
Es wachsen Lust und Wohlgefallen,
Erwachen in ihr Wunsch und Streben,
Sich nunmehr richtig auszuleben,
Indem sie ihre Weisheit gibt
Dem Throne dort, den sie so liebt.

Sie sendet, durch des Truchseß Hand,
Den Aha hier, als Unterpfand.
Und angewärmt und vorbereitet,
Man nun zur Tat und Sippung schreitet.

Wenn dann das Vorspiel abgeschlossen,
Der schönste Teil somit genossen,
Beginnt der eigentliche Akt:
Das Spiel, das unsre Herzen packt.

In diesem Spiel das uns ergötze,
Dort gelten andere Gesetze.
Im Spiele ist die Kraft gefragt,
Da gilt: Nur der gewinnt, der wagt.
Im Spiele geht es derber her,
Dort zählt der Einzelne nicht sehr,
Dort braucht man das Zusammenhalten
Von allen, Jungen so wie Alten,
Und außer unsren Herrlichkeiten
Darf keiner Solonummern reiten.
Sich vorzudrängen wäre peinlich
(Selbst wenn des Sassen Mantel reinlich).

Nehmt - nur als Beispiel - den Marschall* ,
Wenn der einmal - ich setz den Fall -
Sein schlichtes Amt dazu missbrauchte,
Dass er gewählte Verse hauchte,
Sich seiner Wichtigkeit erbaute,
Statt dass er still den Tam-Tam haute,
Empfände man das unerträglich.
Doch brav sitzt er, wie stets freitäglich,
Am angestammten Platz, gottlob,
Für's Vorspiel wär' er auch zu grob.

Doch, in Schlaraffias großem Reigen,
Mag sich auch er ein wenig zeigen
Und seinen Geltungstrieb erfüllen,
Wenn auch nicht, truchseßhaft, im Stillen.
Es sei. Der Marschall, eitler Bengel,
Er nehme seinen großen Schwengel,
Um mit dem Gong den großen Reigen
Eröffnend schlagen. Und sonst schweigen.
Zwar lässt ihn wohl der Wunsch nicht ruhn,
Es doch dem Truchseß gleichzutun,
Den Aha zärtlich mal zu streicheln,
Den Sinn der Sassen zu erweicheln,
Die Herrlichkeit in Wallung bringen.
Allein - es wird ihm nie gelingen.

Der Truchseß macht die Sippung an,
Erst danach kommt der Marschall dran
Als kleiner Teil von jener Kraft,
Die unsres Abends Ablauf schafft.

Doch er ist halt kein Solitär,
Und grämt er sich auch noch so sehr.
Wir hör'n, wenn er den Tam-Tam bumst.
Doch für den Ruhm ist das umsunst.
Es bringt nicht Ehre und nicht Heil,
Wie sie dem Truchseß reich zuteil.

Das Vorspiel braucht den großen Meister
(Heut Hägar, morgen Hamlet, heißt er).
Den Tam-Tam kann von allen Sassen
Fast jeder schlagen, oder's lassen.

Das Vorspiel, es ist große Kunst.
Sie fördert unsres Spieles Brunst.
Lobt drum den braven Truchseß-Stand,
Der für das Reych bereit sich fand,
Zu fördern, groß und wunderbar,
Dies innigliche Treiben.
Lasst uns nur so, doch immerdar
Schlaraffen sein und bleiben.


* Der Marschall Rt Thaler hatte in der Sippung zuvor, anstatt pflichtgemäß nach der Aufforderung durch den vom Truchsessen erhobenen Fungierenden den Tam-Tam zu rühren, sich zunächst langatmig über die Wichtigkeit und Bedeutsamkeit seines Amtes ausgelassen.