Die Florus-Saga

Werkstattbericht eines schlaraffischen Barden

Die Florus-Saga und ihre Entstehung

Man sieht in allen Reychen bewundernd die Recken in der Fürstengruft (bei den Gyssen: Fürstenloge) und erzählt Geschichten von ihren Heldentaten. Woher kommen diese gewaltigen Werke, die der Nachwelt den Ruhm Schlaraffias und ihrer unbesiegbarer Recken für alle Zeiten verkünden?
Am Exempel der bekannten Florus-Saga soll der Entstehungsprozess nachvollzogen werden.

1. Das Ereignis

Gläsle-Sippung a.U. 131. Rt Florus und Rt. Hägar reytten auf Hägars Stinkroß und in Begleitung des Kn 129 in der Asciburgia ein. Das Roß wird für die Dauer der Sippung in einiger Entfernung von der Burg am Rande der verwinkelten Altstadt sich selbst überlassen. Die Gläslesippung, Rt Tonios Geburtstagsfeyer, ist eine große Veranstaltung, bei der die Verabschiedung sich hinzieht. Hägar und der Knappe 129 geben sich ungehemmt dem Abschiedsschmerz hin. Als sie fertig sind und die Burg verlassen wollen, ist Florus verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Alles Suchen in Burg und Umgebung ist vergeblich: Florus bleibt weg.

Was tun? Der Knappe 129 ist den Tränen nahe, Hägar stark irritiert. Florus war relativ nüchrern, Frauen scheiden als Grund des Verschwindens aus: er ist nämlich verheiratet. Große Suchaktion um die Burg. Hägar besteigt sein Stinkroß und reyttet alle Gassen der Altstadt ab und da, nach inzwischen einer Stunde Suche: am Ende einer endlos langen Straße sieht er eine verlorene und tieftraurige Gestalt, die mühsam einen Koffer schleppt. Es ist Florus, der die Burg schneller verlassen und vorausgelaufen , das Stinkroß verfehlt und in eine falsche Straße geratenwar. Bald hatte er die Orientierung verloren und war gerade damit beschäftigt, an sich und an der Welt zu verzweifeln.
Trotz des glücklichen Ausgangs haben wir aus dem Abenteuer Konsequenzen gezogen: bei gemeinsamen Ausritten bewegt sich unser Fürst - standesgemäß - nur noch in Begleitung (und ist uns auch nicht mehr weggekommen).
Der Stoff bot sich an für eine große Heldensage.

2. Literarisches Vorbild

Romeo und Julia von Shakespeare in der Übersetzung von Schlegel und Tieck, Balkonscene (2. Aufzug, 2. Scene, und das Zusammentreffen in Julias Zimmer (3. Aufzug, 5. Scene).
Blankvers, d. h. ungereimter fünffüßiger Jambus, Endreim an Abschnittsenden, besonders gut geeignet für gefühlvolle Texte in deutsche Sprache.

3. Das Werk selbst:

Die Florus-Saga oder Der verlorene Fürst

1.
Das Abendlied verklingt. Die Ritter reichen
Die Hände sich zum Abschied von dem Freund.
So lebe, Asciburgia, denn wohl,
Schön war die Sippung, war des Tonios Fest.
Kommt, wackrer Knappe hunderneunundzwanzig,
Laßt uns die Rößlein satteln und gen Giessen traben,
Mit unsrem Fürsten, dem Geleit wir gaben.

2.
Doch, weh ist unser Herz beim Abschiednehmen.
Hier drückt man einen Freund an seine Brust,
Dort klingt ein Gruß, da ein Gedanken,
Man weiß: der Weg hinaus braucht seine Zeit.
Und treulich wartet auf dem Berge oben,
Das Rößlein, das uns drei nach Hause bringt.

Doch fehlt der Fürst, entbehren wir des Florus!
Wir suchen bangend in der ganzen Burg,
Am Dach, im Keller, selbst im Klo der Damen,
Wobei der Knappe, den der Mangel ängstigt,
Laut "Florus" rufend durch die Räume streift,
Die bittren Tränen der Entsagung gießend;
Wo Hägar mannhaft sich die Lippe beißt.
Auch in den stillen Gassen, in den Kneipen,
Kein Fürst, nicht in den Parks, den Plätzen.
Und langsam wachsen Angst, Entsetzen.

3.
Ihr, Knappe, haltet Burg und Roß im Aug',
Spricht Hägar, als der bleiche Morgen naht.
Ich werde dort auf jene Höhe schreiten,
Und nochmals spähn, ob sich ein Zeichen findet.

Der Narben lacht, wer Wunden nie gefühlt.
Doch still, was schimmert aus den Büschen dort?
Es ist der Ost und Florus ist die Sonne.
Geh' auf, du holde Sonn'. ertöte Lunen,
Die neidisch ist und schon vor Grame bleich,
Daß du viel schöner bist, obwohl ihr dienend.

Er ist es, oh, mein Freund, mein Florus!
Ein paar der schönsten Stern' am ganzen Himmel,
Wird ausgesandt und bittet Florus Augen,
In ihrem Kreis zu funkeln.
Doch wären seine Augen dort, die Sterne
In seinem Antlitz? Würde nicht der Glanz
Von seinen Wangen jene so beschämen
Wie Sonnenlicht die Lampe? Würd' sein Aug'
Aus luft'gen Höhn sich nicht so hell ergießen,
Daß Vögel sängen froh, den Tag zu grüßen?

Da steht der Fürst, versonnen milde lächelnd,
Vom hellen Mondlicht freundlich eingehüllt,
Daß silbern seine volle Locken glänzten,
Im Wettstreit mit der Rüstung hehrer Pracht.
Ein edles Bild, als ob die Sonne stiege,
Um dunkle Welt mit ihrem Licht zu hellen.

In diesem Glanz steht Hägar wie verzaubert
Und wagt behutsam nur dem Freund zu nah'n.
Der sieht empor und weiß ihn schließlich stehn.
Ihr seid es, Hägar, spricht er voller Wärme,
Seid mir willkommen als der Nacht Gefährte.
Verzeiht, daß ich euch etwas warten ließ,
Allein, ich konnte Lunas Zauber nicht entfliehen.
Die Nacht war mild, des Silbermondes Leuchten
Ließ mich erfüllt nach schöner Sippung Arbeit
Zu unsrem braven Rößlein auf dem Berge schreiten.
Ich wähnt euch dort, im Ungestüm der Jugend,
Wär't ihr, so dacht ich, längstens vorgelaufen,
Am Ziele harrend eures braven Florus.

Es muß der Abend mich verzaubert haben,
Daß ich entrückt auf diese Höhe schritt,
Um hier, im Angesicht des weiten Alls,
Das Glück des Daseins wieder zu empfinden.
Den Himmel über mir, unendlich Raum,
Durch den Uhu seine Bahnen zieht,
Und allen, denen fühlend Herz zu Eigen
Verkündend, daß er's ist, der sie erleuchtet.
Mich hielt es nicht. Ich mußte auf die Höhe,
Auf daß die schöne Welt von hier ich sehe!

Fürst, mahnte nun Hägar laßt uns heimwärts reiten,
Doch Florus spricht: Mein Freund, was läßt dich eilen?
Willst Du schon gehn? De Tag ist ja noch fern.
Es war die Nachtigall und nicht die Lerche,
Die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang,
Sie singt des Nachts in jener Hecke dort.
Glaub, Hägar, mir: es ist die Nachtigall.
Trau mir, das Licht ist nicht das Tages Licht,
's ist Asciburgia, die das Leuchten macht,
Dein Fackelträger dieser Nacht zu sein,
Dir auf dem Weg ins Gyssen Reych zu leuchten.
Drum bleibe noch, zu gehn ist noch nicht not.

Ja, eines Fürsten Wege sind sein Eigen
Er muß sie Hägar nicht, auch nicht dem Knappen zeigen.
Die endlich bald den neuen Tag begrüßen.
Mit ihrem Fürsten auf dem Ritt nach Giessen.

4.
Laßt mich nur Eins im Reyche noch verkünden:
Hätt' ich den Florus nicht an jenem Ort gefunden,
Ich wäre nimmermehr hierher zurückgekehrt.
Und wäre ewig suchend durch die Welt gezogen.
Ich muß gestehn, ich mag den Alten gern,
Mag seine Art, mag seine Herzlichkeit,
Ich hör' ihn gern, auch wenn er lange fext,
Und freue mich an seiner Freundschaft Wärme.
Wenn er, gleich Phöbus auf dem Sonnenwagen
In unsrer Burg erscheint an Sippungstagen.
Er ist dann Teil von der besondren Kraft,
Die unsres Reyches Atmosphäre schafft.
Er ist des Reychs, er ist des Hägars Wonne
Von dem zu Recht verwechselt mit der Sonne.
Wer lebt schon gerne ohne Sonnenlicht?
Ich nicht!