an Rt Walnuss zu seiner GU-Feyer am 12. im Lethemond a.U. 159

Verehrte Festversammlung,
viellieber Rt Fürst Walnuss der Universale,
hört!

  1. Obwohl wir von schlaraffischen Kindesbeinen an befreundet sind, will ich euch jetzt und fürderhin in meinen Ausführungen förmlich anreden und es soll kein vertrauliches „du“ und kein profaner Namen und schon gar kein - horribile dictu - Vorname fallen. So bestimmen es Spiegel und Ceremoniale und da ich weiß, dass euch, viellieber Rt Fürst Walnuss, diese Formen viel bedeuten – weil unser Spiel, das ihr in seiner Förmlichkeit so schätzt, nur mit festen Regeln funktioniert – werde ich mich streng an diese Formen halten.

  2. Ihr, Rt Fürst Walnuss, seid ein Mann mit großen, um nicht zu sagen „überwältigenden“ Verdiensten für Schlaraffia. Ich könnte den heutigen Abend und in Sunders meine Ausführungen damit verbringen, dies Verdienste aufzuzählen, um das Staunen und die Bewunderung der Festversammlung hervorzurufen. Da ich nun aber grundsätzlich am Unterhaltungswert des Vortrags von Verdiensten anderer Leute zweifele, will ich es bei dieser allgemeinen Anmerkung belassen. Alle, die begierig darauf sind, die Verdienste und Leistungen des Fürsten Rt Walnuss vor Augen zu haben, mögen am Ende der Festsippung zu mir kommen und sich eine schriftliche Aufstellung von mir geben lassen.

  3. Nein - ich will mich heute einfach nur erinnern an die lange gemeinsame Zeit, die wir in diesem Reych zusammen verbracht haben. Wir sind beide in der Winterung a.U. 126/26 zu Schlaraffia gestoßen, ich als älterer Knappe 119, ihr als Knappe 120. Und sind seitdem fast 35 Jahre lang einen langen gemeinsamen und vertrauten Weg gegangen. Da gibt es vieles, an das man zurückdenkt!
    Woran erinnere ich mich, wenn ich an Rt Walnuss denke?

  4. Ich erinnere mich da an unseren armer Junkermeister Rt Min-Cherie, den wir den „Eisernen“ nannten – weil er alle unsere Streiche eisern und ohne zu klagen ertragen und erduldet hat. Es waren damals andere Zeiten: ich war 41 Jahre jung, Rt Walnuss 45 – da steht eine Junkertafel noch voll im Saft und hat, ganz im Gegensatz zu dem heutigen, mehr gesetzten Nachwuchs, den Kopf noch voller Flausen. Jk Gerhard (heute Rt Reisewitz) und Jk Manfred (heute Rt Thaler) waren beide mit 40 auch nicht besser, von Prüfling Furtwängler (weiland Rt Spirrlifix)mit seinen 45 Jahren, aber mit kindlichem Gemüt, ganz zu schweigen. Nur Jk Karlheinz war mit seinen 47 Jahren reifer und wurde deshalb auch bald zum Ritter Paroli geschlagen.
    Ich erinnere mich gerne an unsere Junkernachtung, in der wir von Gießen aus über die Elbe zur Nordsee fahren wollten. Im Beisein unseres Junkermeisters, der das ganze Vorhaben nie richtig verstehen konnte, stritten wir in vielen Sitzungen immer nur heftig darüber, ob wie die Elbe hoch oder herunterfahren sollten, um ans Meer zu gelangen und bereiteten die Nachtung im Übrigen ohne sein Zutun oder Wissen vor. Er war so verzweifelt, dass er den damals schon Patriarchen des Reychs, Rt Ebigon, dringend zur Generalprobe bat, um im Notfall das Schlimmste zu verhindern. Schließlich war er dann aber freudig überrascht und sehr stolz darauf, was wir unter seiner milden Knute auf die Beine gestellt hatten.
    Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang auch an die Atzung, die der damalige Knappe 120 aus der Bundeswehrkantine bestellt hatte: Heringe mit Bratkartoffeln in Sahnesoße! (ohne euch, Rt Walnuss, auf die Füße treten zu wollen muss ich sagen, dass ich – zumindest in meiner Erinnerung -. nie mehr etwas Besseres gegessen habe – wobei ich diese Anmerkung mit Rücksicht auf und in Dankbarkeit für die vielen schönen Einladungen in eure Heimburg und die kulinarischen Bravourleistungen eurer Burgfrau Birgit in Klammern gesetzt habe.)

  5. Ich erinnere mich an unser 60. Stiftungsfest im Martinshof. Bestärkt durch seinen Erziehungserfolg bei der Junkernachtung trauten uns Junkermeister und Reych nun Größeres zu. So bildeten die Junker Wolf und Ingo zusammen mit Jungritter Paroli ein Gesangstrio, das Jk Roland (der heutige Rt Rolando) am Klavizimbel unterstützte. Das Ganze mit Rt Großfürst (obwohl er das damals noch nicht war, aber die Krone, oder was ein Großfürst so trägt, lag schon im Tournister) Boni als Regisseur. Es war eine harte Vorbereitungszeit. Rt Boni war – wie immer – streng, unnachsichtig und ausdauernd. Ich erinnere mich daran, dass ich des nachts aufwachte und sofort Text, Melodie und Tanzschritte des Liedes „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“ parat hatte. Jk Wolf ist es ähnlich ergangen. Nur Rt Paroli nicht; der beharrte bei der Generalprobe auf einer ganz neuen Schrittfolge, war nicht von etwas anderem zu überzeugen und so trimmte uns Rt Boni uns das denn auch das ein – wenn auch mit rollenden Augen. Der Auftritt war ein gewaltiger Erfolg, den wir drei gemeinsam nochmal bei Stiftungsfest unseres Töchterleins Wetiflar a.U. 149 zu wiederholen versuchten.

  6. Zu einer künstlerischen Karriere kam es aber dann aber für den frischgebackenen Rt Walnuss nicht mehr, da Uhus Gunst ihn sofort nach dem Ritterschlag auf den Thron setzte. Hier war die junge Herrlichkeit Walnuss in ihrem Element. Streng nach Spiegel und Ceremoniale, aber auch sonst streng. Neben Lulu und Ehe trat als drittes Element der Ruf „Ruhe“ dazu. Es zeigte sich auch ein gewisser Hang zum Feierlichen, zur großen Geste, zum großen Wort. Er war technikaffin wie kein anderer vor oder nach ihm – nie mehr sind Audiogeräte mehr in der Burg zum Einsatz gekommen. Es gab prachtvolle Veranstaltungen wie die Barocksippung, an die ich gerne denke (wohl auch, weil ich mit Stolz und Dankbarkeit den Auftrag zum NAP von der fungierenden Herrlichkeit Rt Walnuss entgegennehmen durfte).
    Wenn ich an Walnuss auf dem Thron denke, kommt mir aber immer eine Grieg-Sippung in den Sinn; was sage ich: die Grieg-Sippung. Edvard Grieg, der norwegische Nationalkomponist ist ja ein eher elegischer Tondichter. Ich habe lange in Norwegen gelebt. Wenn ich Griegs Musik höre, steht mir immer die Öde der norwegischen Vidda (der Hochebene) vor Augen. Man kann wochenlang wandern und nichts ändert sich, außer der Intensität des Regens. Also alles nichts, was Stimmung hochzieht.
    Walnuss holte also Grieg über das Grammophon in unsere Burg und sprach stimmungsvolle Worte dazu. Das regte unseren Schwanenritter Bragi an, weißhaarig, gebeugt alt und inzwischen ohne jene schöne Baritonstimme, die er in vielen Sippung in der Burg hatte erklingen lassen. Bragi stand also auf und bat, angesichts dieser feierlichen Atmosphäre, Schuberts Winterreise vortragen zu dürfen; da er nicht mehr singen vermochte, als Gedichtzyklus vorgetragen. Und Herrlichkeit Walnuss stimmte freudig zu, offenbar ohne zu ahnen, worauf er sich da einließ.
    Bragi stand nun auf der Rostra in mildem Licht, alt, weiß und verehrungswürdig und begann getragen:
    „Fremd bin ich eingezogen, Fremd zieh ich wieder aus“, und weiter ging es mit „Der Wind spielt in der Wetterfahne Auf meines schönen Liebchens Haus“. Der Zyklus umfasst 24 Lieder mit jeweils vielen Strophen und bei Lied 7 “Manch Thrän‘ aus meinem Auge ist gefallen in den Schnee“ begannen auch der fungierenden Herrlichkeit, die Augen zu tränen. Aber Bragi stand entrückt und fuhr fort: „Der du so lustig rauschest, du heller, wilder Fluss“ und „Es brennt mir unter beiden Sohlen, Tret‘ ich auch schon auf Eis und Schnee“. Rt Walnuss brannte es da schon ganz woanders und er versuchte verzweifelt, Blickkontakt mit Bragi zu bekommen – aber der fuhr unbeirrt fort: „Der Reif hat einen weißen Schein Mir über’s Haar gestreut“.
    Es war zum Verzweifeln. Der Besen wollte nicht mehr in die Ecke. Von unter ist das vergnüglich anzuschauen, aber auf dem Thron kann man da, ein volles Programm vor sich und einen nicht unterbrechbaren Redefluss auf der Rostra, verzweifeln. Ich saß und wartete gespannt auf die Auflösung. Schließlich fasste sich Rt Walnuss ein Herz bei den Versen „Ein Licht tanzt freundlich vor mir her, ich folge ihm nach Kreuz und Quer“ und rief: „Rt Bragi! Wunderbar! Wunderbar!! Aber wollt ihr es nicht genug sein lassen mir der Anstrengung und uns den Rest das nächste Mal vortragen?“
    Bragi erwachte wie aus der Trance, ein schönes Bild, kam zu sich, stimmte zu und zog sich von der Rostra zurück. Aber nun hatte Rt Me-Toulus Blut geleckt. Me-Toulus war Psychiater, gründelte gerne in den Tiefen des Unterbewussten und war mit der Endlichkeit des Seins im Allgemeinen und insbesondere in seinem Fall tief über Kreuz. Er holte nun aus zu einem Exkurs in die schwarzen Tiefen der Seele und des Seins aus. Es war kaum zum Aushalten. Die Sippung stürzte sozusagen in den Orkus. Ich erinnere mich nicht, wie Herrlichkeit Walnuss den Fall löste, aber er muss ihn gelöst haben, denn das Leben und die Sippungen gingen danach weiter. Edvard Grieg aber blieb für immer ausgesperrt aus der Hessenburg.

  7. Ich erinnere mich mit besonderer Rührung an eine Situation am Ende der letzten Winterung: ich saß ziemlich verzweifelt da, weil eine Verkettung von unglücklichen Umständen dazu geführt hatte, dass keiner bereit war, das Ambt des Marschalls zu übernehmen. Ein andere hätte da vielleicht auf die alten Deppen im Reych geschimpft, die sich zu fein sind für solche Aufgaben – mir kommt eine solche Wortwahl auch nicht annäherungsweise in den Sinn. Nein, wir sind ein Reych mit sehr speziellen, verfestigten und ausdifferenzierten Charakteren, die klare Vorstellungen der eigenen Wertigkeit und Bedeutung haben und in Sunders der zumutbaren Tätigkeiten und Ämbtern. So saß ich denn nach vielen Gesprächen ratlos da, als mich Fürst Walnuss in einer ganz anderen Causa anrief. Als er sich meine Verzweiflung spürte und sich erkundigt hatte, was los sei, rief er spontan aus: „Ach was! Ich mache den Marschall! Für eine Winterung.“
    Ich hätte ihn umarmen mögen, wenn nicht
    a) die durch das Telefonat gegebene räumliche Entfernung dem im Weg gestanden hätte, und
    b) Rang und die Würde zweier Fürsten eine Umarmung als unschicklich erscheinen lassen – man belässt es bei einem festen Händedruck und höchstens einem Zwinkern zum Trocken des Auges (wegen der Rührung ob der Großzügigkeit des anderen – und vielleicht auch der eigenen).

  8. Ich denke gerne an Rt Walnuss‘ Durchsetzungsfähigkeit und seinen Optimismus. So erinnere ich mich, wie ich im Zweifel war, ob die ganz Arbeit für die Burg angesichts der schwindenden Mitgliederzahlen noch sinnvoll sei – wie er da fest und unbeirrt rief: „Und wenn ich wüsste, dass die Welt morgen untergeht, würde ich trotzdem heute einen Baum pflanzen!“
    Nun, es ging ja gar nicht ums Bäume pflanzen und vielleicht hat er das auch nicht gesagt. Aber es repräsentiert seine Haltung: Immer dranbleiben! Niemals aufgeben! Also könnte er es gesagt haben und nur das zählt.
    Erich Kästner, unser Ehrenschlaraffe Emil; meint ja: „Ob etwas wirklich passiert oder nicht, das ist egal. Hauptsache, dass die Geschichte wahr ist! Wahr ist eine Geschichte dann, wenn sie genauso, wie sie berichtet wird, wirklich hätte passieren können."
    Ich halte es da sowieso mit Winston Churchill, der in seiner eng­lischen Geschichte dem sagenhaften König Artus ein langes Kapitel gewidmet hat an dessen Ende er lapidar erklärt: „Das alles ist wahr, oder müsste es sein und außerdem ist es mehr und etwas Höheres. Auch wenn Menschen im Kampf gegen Barbarei, Tyrannei und Ausbeutung unterliegen, wird die Erinnerung an ihre Taten ge­feiert werden, solange die Welt besteht. Lasst uns deshalb festhalten, dass König Artus und seine edlen Ritter das heilige Feuer der Christenheit schützten und mit ihrer Tapferkeit, ihrer körper­lichen Kraft und ihren guten Pferden für die Weltordnung kämpften und ungezählte Horden ver­ruchter Feinde vernichteten. Damit schufen sie ein Vorbild für alle anständigen Menschen in allen Zeiten und nur das ist wichtig."

  9. Das ist gut gesprochen. Aber wer behauptet denn, dass unsere Erinnerungen – oder auch unsere Träume - nicht wahr sind oder nicht wahr sein können?
    So erinnere ich mich – vielleicht nicht wirklich, aber in jedem Fall wahr – wie wir, die Rt Walnuss und Hägar, in mancher finsteren Nacht im dunklen Wald der Profanei nach der blauen Blume gesucht haben. Wenn Rt Walnuss eine gefunden hatte, drückte er sie ganz fest an seine Brust und seine Stimme wurde ganz klein und weich und innig – anstatt der üblichen Bass-Böllerei (die er mir immer vorhält, weshalb ich gerne diese Gelegenheit wahrnehme, mich zu revanchieren).
    Ich hingegen habe bei diesen Ausflügen immer nur die giftgelbe Spottblume gefunden und dann meine Sottisen gleichmütig vorgetragen, ganz nach dem Motto Oscar Wildes, dass eine gute Pointe gelegentlich eine alte Freundschaft wert sein muss. Aber bei Rt Walnuss kann ein Oscar Wilde – der noch nicht mal Ehrenschlaraffe irgendwo ist – natürlich nichts ausrichten.

  10. Unsere schlaraffischen Karrieren sind sehr verschieden gelaufen, bei allen Gemeinsamkeiten: Wir waren beide bei den Pionieren der Bundeswehr, hatten beim Ritterschlag die gleiche Besoldungsgruppe und fahren heute– ohne jede Absprache – das gleiche Auto, sind – was heute nicht selbstverständlich ist – beide mit einer Frau verheiratet und sind stolze Großväter. Aber Fürst Walnuss wurde durch seine frühe Thronbesteigung an die Region gefesselt (was ich jetzt, spät, so empfinde) und mich trieb der Zufall ins Uhuversum hinaus. Er hat die heimische Scholle beackert, ich bin durch die Welt gezogen und habe unser blau-gelbes Banner flattern lassen in allen Burgen Europas und darüber hinaus. Ist das eine mehr wert als das andere? Ich glaube wir haben uns ergänzt zum Wohle des Reychs und wir tun das weiter, jetzt auf andere Art. Die Nähe und die Ferne - es gehört beides zur Schlaraffia und ich habe es immer bewundert, wie Fürst Walnuss die Kontakte und die Freundschaft zwischen Sassen und Reychen unseres Sprengels gepflegt hat, auch mit vielen privaten Einladungen. Daran erinnere ich mich schon deshalb gerne, weil ich oft dazu gebeten war und Walnuss mir immer eine Privatflasche hingestellt hat, früher mit Wein, jetzt mit Wasser.

  11. So geht das halt: wir trinken jetzt Wasser. Ich habe bei der Ursippenfeyer für Rt Fugato gefext: „Er kann den Tag am Abend endlich loben/ Und täte es am Morgen lieber nicht.“ Das gilt jetzt für euch, Rt Fürst Walnuss, wie für mich. Alt, würdig, grau und gewichtig sind wir geworden, aber eins ist schön: unsere Beziehung ist jung geblieben. Wir spielen nach wie vor mit Leidenschaft unser schlaraffisches Spiel. Das schafft eine große Gemeinsamkeit. Rt Fürst Walnuss findet es, wie ich glaube, gut, wenn der Thron etwas wagt. Ich weiß, dass er eine sichere und tatkräftige Stütze in allen Dingen ist und ich mich jederzeit und immer auf ihn verlassen kann. Mit Rt Fürst Walnuss an der Seite zieht man gerne in jede Schlacht.

  12. Wir leben ausschließlich im Augenblick, aber dieser Augenblick ist flüchtig und zieht rasch vorbei. Morgen ist heute schon gestern. Was uns bleibt ist nur der Abglanz des Erlebens, eben die Erinnerung. In dieser richten wir unser vergangenes Leben ein und wer will es uns da verdenken, wenn wir die Gegenstände etwas verschieben und eine wohnliche Atmosphäre herstellen. Die Erinnerung ist keine Buchhalterin, sie ist Dichterin.
    Viellieber Rt Fürst Walnuss: Wenn der Überlebende von uns Beiden in vielen Jahren oder Jahrzehnten auf der Trauerfeier für den anderen spricht (ich wollte hier zunächst eigentlich die GU-Feyer mit Eichenlaub und Brillanten einsetzen, ab er das ist eigentlich kein großer Unterschied), dann wird er sich hoffentlich erinnern und sagen: „Schön war die Zeit!“

Ein hertzliches Lulu Euch, Rt Fürst Walnuss der Universale!