Ahnherr auf dem Gleyberg a.U. 156

Wie ist das fad in meiner Gruft:
Nicht nur der blöde Moderduft,
Die Tage öd, die langen.
Die Weiber sind mir viel zu dünn!
Weil sie hier nur Gerippe sinn.
Kaum was mit anzufangen.
Nichts da zu Spaß und sündigen!
Am liebsten tät ich kündigen.

Was war das früher Freude pur,
Als alles Öko von Natur
Und Waschen nicht so nötig.
Am Tag Befriedigung beim Tjost,
Des Nachts als Kemenaten-Trost
Den Witwen oft erbötig.
Wie ist die schöne Ritterzeit
Inzwischen fern und weit.

Und was ich hör von dieser Welt
Ist nichts, was sunders mir gefällt
Zum Teufel die Moderne!
Ob Russland oder Griechenland -
Wer braucht da noch den Ritterstand?
Der steht den Leuten ferne.
Gottlob, denk ich, hab ich dafür
Mein Leben lange hinter mir.

Was waren meine Zeiten doch
Und gerne denk zurück ich noch
's war einfach und war bieder:
Man überfiel die Pfeffersäck',
Man würfelt' zum Vergnügungszweck,
Man ritt die Feinde nieder.
Auch freut den Nachbar-Rittermann.
Die Fehde mit ihm ab und an.

Frag mich, ob meine Profession
Mit heut noch brächte Brot und Lohn.
Oh, dies Deeskalieren
Bevor noch irgendwas passiert
Vermittelt man und sanktioniert.
Heut würd ich so agieren:
Verkauft dem Feinde Aktienschrott
Und macht' des öfters Bankrott.

Was für ein Leben ist das heut':
Das Gleiberfest als einz'ge Freud
In einer langen Jahrung.
Wo Ritter sich bei Apfelsaft
Bemüh'n um ihre Kampfeskraft.
Welch seltsame Erfahrung!
Zu meiner Zeit - und nicht geprotzt -
Hätt' man bei dem Getränk gekotzt.

Auch kampferprobt scheint ihr mir nicht
Ihr lauft, als hättet ihr die Gicht
Schwitzt ja schon auf den Treppen.
Wie kommt ihr denn aufs Pferd hinauf
Und sitzt gewichtig obendrauf,
Was muss so'n Gaul da schleppen!
Ob dicke oder tote Hos'
Rein körperlich ist wenig los.

Doch gibt's bei euch - bei all der Not -
Gottlob noch einen Schlag-Mich-Tot
Der Hägar heißt mit Namen.
Der provoziert und duelliert
Ist, ob geschüttelt, ob gerührt,
Stets gut für große Dramen.
Nur heute scheint er nicht dabei -
's gibt irgendwo wohl Rauferei.

In Völklingen vermut' ich ihn
Dorthin tut's heut' die Massen ziehn
Und nicht ins Land der Hessen.
Zur Wallstatt schreiten heute da
Moguntia, Haidelbergia
Die sich in Fehde messen.
Ja, Zoff und Streit erfreuen mehr -
Drum ist des Gleybergs Saal so leer.

Seid, tragt ihr auch mit großem Stolz,
Als Waffe so ein Schwert aus Holz,
Merkwürdige Gesellen.
Auch eure Rüstung wär mir Fluch -
Statt hartem Eisen weiches Tuch
Wer kann den Feind so stellen?
Moderne Ritter ihr! Allein
Ihr müsst auch so begrüßet sein.

Drum heiß ich euch, ihr Rittersleut',
Die langen Anstieg nicht gescheut,
In meiner Burg willkommen.
Sauft, fresst und völlt nach Herzenslust
Oder trinkt Wasser, wenn ihr musst.
Macht, was zu eurem Frommen.
Ich geh' zurück in meine Gruft
Bis mich das nächste Meeting ruft.