Ahnherr auf dem Gleyberg a.U. 159

Seid mir gegrüßt, ihr Ritter die von Ferne
Und nah sich auf den mühen Weg gemacht.
Zu Gleybergs Fest ersteigt den Berg ihr gerne.
An und auch über euch sind güldne Sterne
Die hüllen Nacht und Ritterschaft in große Pracht
Wo tat zuletzt ich noch so Schönes schauen?
Ach ja! Im Zoo war‘s, bei den eitlen Pfauen.


Ich grüße alle Grafen und die Fürsten,
Mein Gruß gilt allen Rittern und was mehr.
Steil war der Weg. Ihr dürft nach Lethe dürsten
Und Atzung, Sauerkraut mit fetten Würsten,
Denn hungrig seid ihr nach dem Aufstieg sehr.
Ihr harrt der Pause, dass mein Wort am End,
Damit ihr euer Festmahl nehmen könnt.


Doch muss ich euch jetzt leider sehr enttäuschen
Denn es gibt viel, was ich euch sagen muss.
Da sitzt ihr nun, mit euren dicken Bäuchen
Wetzt das Besteck, ich hör ’s an den Geräuschen
Und habt bei meinem Wort nicht viel Genuss
Und fragt was will der Zausel von uns haben?
Der aus der Gruft, voll Ratten und voll Schaben.
 
Ach, euer Anblick ist mir Unterhaltung!
Das viele Gold, das Talmi und der Glitter -
Ich sah schon lange nicht die Glanzentfaltung,
Mehr hohen Mut und stolzer Gang und Haltung
Und selten so viel schöne bunte Ritter.
Doch! Eitel Tand ist alles was euch schmückt
Und was an Äußerlichem euch beglückt!

Doch, wie ich Ahnherr euch versichern kann,
Weicht aller Prunk einmal, und bald, von hinnen!
Seid dann nur alter, grauer Rittersmann
Und alles, was euch bleibt, ist endlich dann
Was ihr bewahrt in eurem Herzen drinnen.
Auch mir als Ahnherr bleibt in meiner Gruft
Doch, was der Blick zurück mir in Erinn‘rung ruft.

Ja, all der Glanz ist flüchtig und er treibt
Dahin im Wind, wie das Barock schon dichtet.
Ein volles Herz alleine aber bleibt
Auf ewiglich. Und dieses Herze schreibt
Euch alle Zeit alleine die Geschichten
Von güldnen Stunden, da ihr stak und jung.
Das Kostbarste bleibt die Erinnerung.

Im Leben gab es nichts, das ich bereute
Jedoch was bleibt, wenn nun zurück ich schau?
Dass Graf ich war und Fürst - wen schert das heute?
Mein großer Reichtum gar? Ach, liebe Leute
Das interessiert doch heute keine Sau!
Raubritter wär‘ ich gerne auch noch heuer;
Das waren unvergess‘ne Abenteuer.

Der Kaufmannszug, den ich in dunklen Nächten
Aufbrachte, war mir damals reinste Freud‘.
Die Jammerei, von Weibern und von Knechten,
Der Schwerterklang, der Ruf nach höh’ren Mächten -
Das klingt in meinem Innersten bis heut‘.
Die Beute war nach Kurzem aufgefressen
Doch das Scharmützel bleibt mir unvergessen.
 
Es ist der Augenblick, es ist die Stunde
Durch die ein Leben Sinn und Inhalt hat.
Es ist Erleben in der Freundesrunde,
‚s ist von Humor und Kunst die frohe Kunde.
Wer dieses hat, wird seines Lebens satt
Und schwelgt selbst in der Gruft und dunklen Räumen,
Kann sich erinnern und von damals träumen.

Jagt nicht nach Gold, jagt nach dem Schmetterling,
Greift den Moment im glücklichen Genießen.
Denn ist der auch ein gaukelnd-flüchtig Ding
Und sei’s nicht leicht, dass man hielt‘ ihn fing.
Hascht ihn! Um ihn im Herzen einzuschließen.
Schützt ihn als Schatz, als eures Lebens Sold.
Das bringt euch mehr als aller Erden Gold!

Sucht Gold und Tand euch nicht ans Bein zu binden
Und hohle Titul – ach! was bringt das, was?,
Versucht stets nur, den Augenblick zu finden,
Mit andern ihn zum bunten Kranz zu winden
Und trotzet so dem Worte „Vanitas“..
Ja, äussrer Glanz, die Würde, das verlischt,
Doch was ihr so erlebt, vergeht euch nicht.

Und glaubt nicht, dass ihr den Moment erhaltet,
Wenn ihr ein Bild nehmt, oder einen  Ton
Ach, wie ihr irrt! Der Augenblick erkaltet
Wenn ihr ihn speichern wollt und ihn verwaltet
Denn er bleibt flüchtig, zieht dann rasch davon.
Und keiner hat ihn wirklich je erwischt!
Denn Sekundärerleben geht nun einmal nicht.

Soll dieser Augenblick euch Pracht entfalten,
Dürft ihr ihn niemals materialisiern.
Nur dann bleibt Farbe ihm und Kraft erhalten!
Mag euer Leib ermatten und erkalten
Er wird euch in  Erinnerungs-Weiten stets entführ’n.
Macht in der Gruft, wo‘s kalt und feucht und kläglich,
Die Zeit mir bis zum nächsten Fest erträglich.

Doch muss in diese Gruft ich nun zurück
Um weiter dort zu schlafen und zu träumen.
An mir zieht dann vorbei ein buntes Stück
Von Leben, Lieben, Leiden und von Glück,
Von frühren Spären und von alten Räumen.
Kurz wird die Zeit dann bis zum nächsten Mal,
Wenn ich euch sehe hier in diesem Saal.

Seid deshalb froh, wenn ihr nach Hause reitet,
Dort Abenteuer sucht und neues Glück,
Dass euch der Blick zurück durch mich geweitet,
Dass ihr nicht weiter blind durchs Leben schreitet:
Bewahrt die Stunde und den Augenblick!
Und denkt des Ahnherrn, der so klug und wahr.
Euch sprach. Macht’s gut! Und bis zum nächsten Jahr.