3. Der Reutlinger Knutenraub

Zur Reutlingen schlägt sich Gyssen den Bauch
Voll mit taxfrei Pasteten-Essen.
Doch der Grund für diesen uralten Brauch
Ist lang schon versunken, vergessen.
Wer weiß noch, was Ursache für den Disput,
Wer weiß noch von Kriegen und vom Heldenmut?
Was wirklich geschah in den Tagen,
Davon will ich singen und sagen.

Es lebte ein Meister im Gyssen-Land,
Als Reychs-Pädagog sehr verehret.
Der mit Lieb und Strenge und eisern Hand
Seine Junkertafel belehret.
Seine Knute nutzte er, rasch und geschickt,
Ihre Lederriemen mit Näglein bestückt.
Mit der erzog Hägar die Jugend
Und lehrte sie Kampfgeist und Tugend.

Doch einmal, im Wonnemonat Mai,
Kam Uff-Muck nach Gyssen geritten.
Es hieß, das er ganz ohne Heimat nun sei,
Weil in Pforzheim nicht mehr gelitten.
Bis Trutze Achalm, das nicht richtig gedacht,
Ihn aus Barm und Güte zum Sassen gemacht.
Auf Unrat und Streit er versessen
War's Herz ihm vor Rachsucht zerfressen.

Denn Uff-Muck erfuhr zur Jugendzeit noch,
Wo der Knute Gesetze gelten.
Zu Gast bei Gyssen und unter dem Joch,
War er fromm und folgsam, wie selten.
Zeigt die Knut zu ihm, hat er Männchen gemacht,
Wie alle. Doch grimmig dabei sich gedacht:
So nicht! Und dem klau ich die Knute.
Dass sich Hägar ärgert, der Gute.

Als dorten der Meister dann einmal schlief,
Im Kreis seiner Schäfchen, den frommen,
Kam Uff-Muck heran. Behutsam er lief,
Und hat sich die Knute genommen.
Er bringt sie sehr schleunig zur Achalmburg hin,
Erhobenen Arms, mit Triumphe im Sinn.
Hat sie unterm Throne verstecket.
Auf dass sie dort keiner entdecket.

Und Hägar versinkt da in tiefem Gram,
Was das Reych sehr bekümmern täte.
Denn den Kummer ertränkt er, wie Sorge und Scham,
In edelster tiefroter Lethe.
Die Kosten trägt aber der Schatz und das Reych:
Zu so einem Unglück kommt andres sogleich.
Da keiner die Jugend mehr lenke,
Geht sie über Tische und Bänke.

Als Uff-Muck bald, eitel, in Prahlerei,
Tat sein Werk der Welt offenbaren,
Hat Gyssen den Namen und auch dabei,
Den Ort des Versteckes erfahren:
Die Achalmburg! Ort, wo der Ausgangspunkt war.
Man hat es vermutete - und jetzt ist es klar.
Rasch tat sich der Wille verbreiten:
Gen Trutze Achalm lasst uns reytten.

Und Stückche, des Reyches gewalt'ger Fürst,
Vor lodernden Fackeln und Fahnen,
Berauschet von wildestem Rachedürst,
Schwört laut bei des Reyche aller Ahnen:
Die Knute zurück! Sonst: Verderbnis und Brand!
Und Uff-Muck! Sonst ziehn wir gen Burg und auch Land!
Und der Krieg wird dann erst geendet,
Wenn alles kaputt und geschändet!

Nun hat man bei Fehden ja keine Wahl
Und auch nicht beim Burgen-Verbrennen.
Denn Paragraph elf vom Ceremonial
Tut Gyssen ja leider gut kennen:
Dem Krieg geht erst Mal eine Fordrung voran,
Auch wenn man die Schlacht kaum noch abwarten kann.
Man holt Pergamentum und Feder
Und zieht nun so richtig vom Leder:

Man biete vom Gruß nur geringes Stück,
Und nur, weil's so Brauch unsrer Väter.
Man fordre die Knute Hägars zurück
Und dazu auch Uff-Muck, den Täter.
Damit man ihn gründelich justifizier
Und so Spitzbuben- Streich nie wieder passier!
Von Genugtun möcht man auch hören!
Sonst wird man dort alles zerstören!

Den Brief gibt man Hägar zu sichrem Transport.
Doch wen tut man ihm an die Seite?
Der Schildknappe Stefan, der reitet dort,
Von der Mutter, in dem Geleite.
Der schleppt ihm die Waffen und bringt ihm den Trank.
Ja, Stefan hat Arbeit und kriegt wenig Dank,
Und was ihn besonders verdrossen:
Ihm obliegt die Pflege der Zossen.

Finster, vorm Throne der Trutze Achalm,
Wird Hägar den Brief überreichen,
Die Sassen, vor Augen schon Brand und Qualm,
Da vor Angst und vor Schrecke erbleichen.
Nur Nautico, Trutzes Achalmens Regent,
Behält da die Nerven. Spürt aber latent
Ein bang-unbehagliches Rühren.
Lässt Uff-Muck zum Throne sich führen.

Der aber verrät gleich zittern den Ort
Zu dem er die Knute geführet.
Dem Nautico stockt da Befehl und Wort,
Mit dem er das Reych sonst regieret.
Er winkt seiner Häschern (den Junkern des Reychs):
Sie reißen fort Uff-Muck die Rüstung sogleich.
Ein härenes Hemd kriegt der Fiese,
Und Ketten, und ab ins Verließe.

"Gebt Hägar die Knute, als ersten Schritt,"
Ruft Nauticojetzt in die Stille,
" Und nehmt, zum Zweiten, den Uff-Muck gleich mit,
Dann haben nicht wir ihn beim Mülle."
Doch Hägar spricht da: "Ich überleg........
Es ist Winter und kalt, und lang ist der Weg.
Ob er's aushält? Kann nicht drauf zählen.
Und wir könnten ihn dann nicht quälen.

Drum bleibe er hier auf sein Ehrenwort.
Nur von diesem sei er gefangen.
Doch er komme zu Gyssens Burg und Ort,
Wenn ein Mond ist ins Land gegangen.
Dann stelle er sich dem Gyssen-Gericht;
Auf Milde dort aber hoffe er nicht.
Bei der Planung des Ritts er beachte:
's Reych, Gyssen sippt Freitags, zur Nachte."

Da steigt manche Träne den Sassen empor,
Als Hägar so edel gesprochen.
Selbst Nautico wischt sich die Augen, bevor
Er das Schweigen im Reych gebrochen:
"In der Wochungen vier, zu Sippungsbeginn,
Bring ich ihn selber nach Gyssen hin!"
Und Hägar, zufrieden im Mute,
Zieht heimwärts, und mit ihm die Knute.

Vier Wochungen später: es meldet das Tor
Ein Heer vor Hessenburg Warte
Da blitzt und glänzt aus dem Staube hervor
Des Sprengelfürstens Standarte.
Alouette! Er selbst führt das Fähnlein an
Daneben Nautico, Edelmann,
Der den Uff-Muck am Strick bei sich führet.
Im Halsbrett die Händ arretieret.

Und dann für die Porta Hercyniae,
Komm Kantzler Triarier geritten.
Von dort stammt Uff-Muck, mit ihm so viel Weh.
Er will um Vergebung hier bitten.
So führt man den Uff-Muck vor Gyssens Thron,
Sagt ihm:"Hier wartet auf dich dein Lohn!"
Und zum Throne: "Hier ist er der Freche,
Greift ihn, auf dass Gyssen sich räche.

Behaltet ihn lang und sitzt zu Gericht.
Gern Trutze auf ihn verzichtet.
Und steckt ihn ins Loch, ohne Labung und Licht,
Bis er sich zu Bessrung verpflichtet."
"Greift ihn!" so spricht der Thron da schlicht,
Betrachtend den Uff-Muck mit grimmem Gesicht
Und ein Junker mit Kette und Dolche,
Der nähert sich drohend dem Strolche.

Doch da, Alouette, er winkt: "Haltet ein!
Genug mit Hauen und Stechen"
Dem Schwaben Nautico macht das zwar Pein
Doch hört man ihn folgsam sprechen:
"Als Genugtuung laden wir Gyssen ein,
Zum Pastetenessen uns Gast zu sein.
Atzt taxfrei bei uns stets hernieden,
Und zwischen uns herrsche dann Frieden."

Da ruft Stückche gerührt: "Der Streit sei vorbei,
Wir vergelten Treue mit Treue!"
Und zu Uff-Muck sagt er: "Auch du bist frei,
Zeigst du uns nur Scham und auch Reue."
So nimmt die Versöhnung ihren Lauf
Und alles wartet gespannt darauf,
Wie Uff-Muck dem Frieden jetzt huldigt,
Und sich und die Untat entschuldigt.

Uff-Muck aber schimpft und droht fürchterlich.
Doch Hägar, der Freud sehr verehret,
Hat 's als Kampf zwischen Ich und Über-ich,
Rasch tief-psychologisch erkläret:
"Der Widerspruch macht, dass Uff-Muck, wie's scheint,
Immer das Gegenteil sagt, was er meint.
Drum kann man sein Fluchen und Zieren
Als Reue und Scham akzeptieren."

So sind Gyssen und Trutze in Frieden vereint.
Nur Uff-Muck schaut dumm aus der Wäsche.
Doch kann er den Freunden, die wieder vereint,
Den Frieden nicht stören, der Freche.
Man erneuert der Reyche Freundschaftsbund.
Gyssen, so geben die Herolde kund,
Sei zu Reutlingens ew'gem Schaden,
Zum Pasteten-Essen geladen.

So kommt Gyssen seitdem, zur Pastetenzeit,
Zu Trutze Achalm, um zu fressen.
das Reych war einst rasch zur Versöhnung bereit
Und kommt noch bis heute zum Essen.
Man speist und denkt an dss Heldenquintetts:
Des Nautico, Uff-Muck und Alouette,
Hägar und Stückche, der Taten schwer.
Die Helden gibt es heut nimmermehr.